Der Kaiser von Portugallien by Selma Lagerlöf

Der Kaiser von Portugallien by Selma Lagerlöf

Autor:Selma Lagerlöf
Die sprache: deu
Format: epub
Herausgeber: ELV
veröffentlicht: 2017-11-15T00:00:00+00:00


Der Kaiser

Am ersten Sonntag im September bekam die in der Svartsjöer Kirche versammelte Gemeinde etwas zu sehen, über das sie sich höchlich verwundern musste.

In der Svartsjöer Kirche ist ein großer, breiter Chor, der das ganze Langschiff quer abschneidet. Und in der ersten Bank dieses Chors pflegten seit undenklichen Zeiten die vornehmen Herrschaften zu sitzen, die Herren links, die Frauen und Fräulein rechts.

Den andern Kirchenbesuchern war es durchaus nicht verboten, sich dorthin zu setzen, denn in der ganzen Kirche waren alle Plätze frei; aber natürlich wäre es einem armen Häusler niemals eingefallen, sich auf einer dieser Bänke niederzulassen.

Früher hatte sich Jan immer gefreut, wenn er die Herrschaften dort sitzen sah; sie kamen ihm gar so schön und vornehm vor. Und auch an diesem Sonntag im Anfang September hätte er nicht bestritten, dass der Hüttenbesitzer von Duvnäs, der Leutnant von Lövdala und der Ingenieur von Borg sehr stattliche Männer waren, die sich sehen lassen konnten. Aber was war das alles im Vergleich zu der Herrlichkeit, die die Leute nun zu schauen bekamen? Ein richtiger Kaiser, nein, ein solcher hatte doch wohl noch niemals auf den Herrschaftsbänken im Chor Platz genommen!

Aber jetzt, jetzt saß wirklich ein Mächtiger der Welt auf der ersten Bank! Ganz vorne auf dem äußersten Platz, da saß er, beide Hände auf einen langen Stock mit einem großen silbernen Knopf aufgestützt, auf dem Kopf eine hohe, grünlederne Mütze und auf der Brust zwei große wie Gold und Silber glänzende Ordenssterne.

Als die Orgel angestimmt wurde, erhob der Kaiser seine Stimme und sang. Denn ein Kaiser muss in der Kirche laut und deutlich singen, selbst wenn er den Ton nicht trifft und die Melodie nicht festhalten kann. Die Leute sind trotzdem froh, wenn sie ihn hören dürfen.

Die Herren, die neben dem Kaiser saßen, drehten sich zur Seite und sahen ihn einmal ums andere an; aber das war ja nicht zu verwundern, denn dies war sicher das erste Mal, dass eine echte Hoheit unter ihnen Platz genommen hatte.

Die Mütze musste er allerdings abnehmen, denn das tut sogar auch ein Kaiser, wenn er in die Kirche kommt; aber er behielt sie doch so lange wie möglich auf, damit die Leute sie nach Herzenslust betrachten konnten.

Auch von den Leuten, die im Schiff der Kirche saßen, drehten an diesem Sonntag viele den Kopf nach dem Chor. Es war fast, als dächten sie mehr an ihn als an die Predigt.

Aber das musste man ihnen verzeihen. Sie würden sich schon allmählich beruhigen, wenn sie sich erst an die Anwesenheit eines Kaisers in der Kirche gewöhnt hatten.

Sie waren vielleicht etwas erstaunt, ihn, den armen Jan, so erhöht zu sehen. Aber eines würden sie doch verstehen: Der Vater einer Kaiserin musste ja selbstverständlich selbst Kaiser werden; es konnte gar nicht anders sein.

Als Jan nach dem Gottesdienst auf den Kirchenplatz herauskam, gingen ihm gleich einige Leute entgegen; aber er konnte mit keinem auch nur ein Wort wechseln, denn der Küster Svartling kam sofort auf ihn zu, um ihn im Auftrag des Pfarrers in die Sakristei zu bitten.

Als Jan und der Küster



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